Mord an John Lennon: Was den Killer antrieb - WELT (2024)

Lange war John Lennon für Mark David Chapman aus Georgia ein Idol gewesen. Doch aus Verehrung wurde paranoider Hass. Am 8. Dezember 1980 passte Chapman den Ex-Beatle am Central Park in New York ab. Dann fielen fünf Schüsse.

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Inneren Stimmen muss man gehorchen. Das jedenfalls ist die feste Überzeugung von Mark David Chapman. Seit Wochen schon hört er immer die gleiche Stimme in seinem Kopf, und immer sagt sie dasselbe: „Tu es! Tu es! Tu es!“ Und weil man inneren Stimmen gehorchen muss, tut Chapman „es“ – er schießt.

Tatort New York City, Upper West Side, vor dem eleganten und teuren Appartmenthaus Dakota. Es ist der 8. Dezember 1980, ein Montagabend, gegen 22.50 Uhr: John Lennon steigt zusammen mit seiner Frau Yoko Ono aus seiner Limousine und geht, wie üblich umringt von einer Handvoll Fans, in Richtung der Halle seines Hauses.

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Der ehemalige Beatle, einer der erfolgreichsten Musiker aller Zeiten, sieht nicht, dass hinter ihm ein dicklicher junger Mann mit Brille eine Waffe zieht und die martialische „Combat-Stellung“ einnimmt: Halb kniend, stützt sein linker Arm die rechte Hand. So verfeuert Mark David Chapmann fünf Patronen aus der Trommel seines Revolvers.

Zwei Schüsse treffen Lennon im Rücken, zwei weitere seine Schultern, die letzte geht daneben. Das Opfer stolpert noch in die Halle des Dakota Buildings, dann bricht er zusammen. Blut quillt aus seinem Mund. Lennons Frau Yoko Ono schreit: „Man hat auf John geschossen!“ Der Pförtner drückt den Knopf für den direkten Alarm beim nächstgelegenen Polizeirevier.

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So schnell wie möglich wird Lennon ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht, doch der Musiker ist nicht mehr zu retten. Blutverlust und Schock sind die offiziellen Todesursachen, doch seine Organe sind so schwer verletzt, dass der Sänger und Songwriter auf jeden Fall gestorben wäre.

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Mark David Chapman lächelt, als er nach seinem Attentat verhaftet wird. Während die Menschen um ihn herum erst langsam realisieren, dass gerade eine lebende Ikone der modernen Gesellschaft niedergeschossen worden ist, stellt er sich unter Bewachung einiger Polizisten unter die Lampe des Dakota Buildings, zieht ein Taschenbuch heraus und liest.

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Es handelt sich um Jerome David Salingers Roman „Der Fänger im Roggen“, einen 1951 erstmals erschienenen Klassiker, der bald zur Bibel der Jugendkultur geworden ist. Salinger ließ seine Hauptfigur, den 16-jährigen Ich-Erzähler Holden Caulfield, von seinem Aufbegehren gegen die Welt der Erwachsenen berichten, von seinem Leben in selbst gewonnener Freiheit. Doch 1980 ist das in Millionen Exemplaren weltweit verkaufte Buch schon in Vergessenheit geraten; es hat jedenfalls nicht mehr den Kultstatus früherer Jahrzehnte. Mark David Chapman allerdings sieht in „Der Fänger im Roggen“ noch immer eine Art Heilige Schrift.

Der Attentäter ist eine gescheiterte Existenz. Chapman wurde 1955 in einer Kleinstadt in Georgia in schwierige Familienverhältnisse hineingeboren. Sein Vater schlug seine Mutter, und der kleine Junge versuchte erfolglos, der Prügel Einhalt zu gebieten. Mark David rettete sich in Fantasien, baute im Kopf eine ganze Gesellschaft der „kleinen Leute“ auf, deren wohltätiger König er selbst war. Für sie spielte Chapman so oft er konnte Musik der Beatles, der erfolgreichsten Popgruppe der Sechzigerjahre.

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Als Jugendlicher fixierte er sich immer mehr auf John Lennon. Er begann Drogen zu nehmen, reiste mit anderen Hippies in Lager, las geradezu manisch in „Der Fänger im Roggen“ und versuchte, sein Leben intensiver zu leben. Als das zu keinem Ergebnis führte, sagte sich Chapman von seinen bisherigen Überzeugungen los, wandelte sich zum fundamentalistischen Christen.

Und er begann, ganz unchristlich, den bis dahin verehrten John Lennon zu hassen. Die einzige Verbindung zu seinem früheren Leben war Salingers Roman. Erfolglos suchte Chapman nach neuen Idealen; er ging als Freiwilliger nach Beirut, um Flüchtlingen im libanesischen Bürgerkrieg zu helfen, er unterstützte vietnamesische Boat-People, er arbeitete mit Kindern. Erfüllung fand er nirgends.

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Enttäuscht heuerte Chapman als Wachmann auf Hawaii an. Hier erlitt er mehrere Nervenzusammenbrüche, suchte Hilfe in einer psychiatrischen Klinik, unternahm einen Selbstmordversuch. Am 2. Juni 1979 heiratete er eine japanischstämmige Amerikanerin – die letzte Chance, den Weg in ein „normales“, bürgerliches Leben zu finden. Doch auch das misslang; spätestens als er Ende 1979 seinen Job aufgab und am letzten Tag mit „John Lennon“ unterschrieb, hatte der Wahnsinn ihn im Griff. Die kommenden Monate lebte er als Hausmann mit seiner Ehefrau zusammen.

Am 9. Oktober 1980 jedoch, John Lennons 40. Geburtstag, entschloss er sich, nach New York zu fliegen, um den Ex-Beatle zu töten. Er versuchte, den Musiker abzupassen, doch es gelang ihm nicht. Angeblich habe ihm ein Engel damals eingeflüstert, auf den Mord zu verzichten, und Chapman flog zurück nach Hawaii.

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Zwei Monate später, am 6. Dezember, war er wieder in New York – diesmal fest entschlossen zu schießen. Er kaufte sich ein neues Exemplar vom „Fänger im Roggen“ und John Lennons aktuelle Platte „Double Fantasy“. Am 8. Dezember gegen 17 Uhr begegnete der Attentäter tatsächlich seinem Opfer. Doch er schoss noch nicht – stattdessen streckte Chapman Lennon die Platte hin und bat ihn um ein Autogramm, das er auch bekam. Zufällig hielt ein Amateurfotograf diese Szene fest: das Opfer, in Schwarz gekleidet, und sein Mörder mit einem Schal um den Hals, keine sechs Stunden vor den tödlichen Schüssen.

Mark David Chapman tat nach seinen tödlichen Schüssen einiges, um seine Strafe so gering wie möglich zu halten: Er bekannte sich schuldig, er erklärte seine Tat als Folge seiner gespaltenen Persönlichkeit. Psychiatrische Sachverständige attestierten ihm Verhandlungsfähigkeit, stellten aber gleichzeitig fest, dass er „depressiv, schizophren und narzisstisch“ veranlagt sei.

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Wegen Mordes zweiten Grades, etwa entsprechend dem deutschen Straftatbestand des Totschlages, wurde er angeklagt und zu lebenslanger, mindestens aber 20-jähriger Haft verurteilt. Seither sitzt Chapman in Einzelhaft, erst im Staatsgefängnis in Attica, seit 2012 in Alden. Im August 2020 lehnte der zuständige Bewährungsausschuss sein bisher elftes Gesuch auf Entlassung ab; das nächste kann er 2022 stellen.

Nach zehn Jahren im Zuchthaus gab er in einem Interview zu erkennen, er bereue seine Tat, und berichtete von seinen Träumen, in denen ihm Lennons Witwe Yoko Ono und dessen Söhne Julian und Sean ihm verziehen hätten. In Wirklichkeit erhebt Ono gegen jedes Entlassungsgesuch von Chapman Einspruch. Bis auf Weiteres bleibt der Mörder von John Lennon in Haft – wie seit 40 Jahren.

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